Was für ein Typ Schüler warst du?

Quelle: Prof. Metschkow
In den ersten 3 Grundschulklassen habe ich überhaupt kein Interesse am Unterricht gezeigt. Mein Vater war als Lehrer auch dort tätig und trotzdem hat mich die Schule überhaupt nicht interessiert, ich fand sie lästig und überflüssig. Ich konnte bereits im Vorschulalter die 4 Grundrechenarten bis 100 sicher anwenden, das Lesen und das Schreiben schienen mir völlig sinnlos und ich war stets versetzungsgefährdet. Meine Noten waren deshalb unterdurchschnittlich. Es war eine Dorfschule auf dem flachen Land, wir lebten äußerst bescheiden mit Lebensmittelkarten, aber die Bauern hatten für meine Begriffe alles. Die Schule war also für mich eine völlig überflüssige, ja sogar eine sinnlose Einrichtung, weil man das Brot in der Landwirtschaft verdient hat. Das hat sich im zweiten Halbjahr der dritten Klasse allmählig geändert. Nachdem ich per Zufall in der bescheidenen Schulbibliothek einige mit Illustrationen versehenen Abenteuerbücher gesehen habe. Insbesondere haben mich Bücher fasziniert, in denen der Walfang im Polarmeer beschrieben war. Dann habe ich für alle unerklärlich und sehr schnell das Lesen gelernt und bin von einer absoluten Niete zu den Besten der Klasse aufgestiegen. Dies hat sich im ersten Halbjahr der 4. Klasse fortgesetzt, ich war dann der Klassenprimus und dann haben meine hocherfreuten Eltern beschlossen, mich zu meiner Großmutter in die Stadt zu schicken. Und so habe ich die Grundschule ( 1. – 4. Klasse ) mit Auszeichnung abgeschlossen und dann in der Stadt das Progymnasium (5.-7. Klasse) mit ebenfalls solchen Leistungen absolviert. Ich hatte ein sehr gutes Gedächtnis, das einzige Fach, das mir etwas Schwierigkeiten bereitete, war der Sport, insbesondere das Geräteturnen. Dann aber fing ich in der 7. Klasse in den Ballsportarten Feuer und auch das hat sich zum positiven geändert. Nach Abschluss der 7. Klasse habe ich mich eigentlich auf Anraten meiner Eltern zum Besuch eines Gymnasiums mit Technikerabschluss entschieden. Diese Ausbildung dauerte 5 Jahre (8.- 12. Klasse). Diese Oberschule hatte auch eine keine Schulfabrik, in der wir das Gießen von Metallen, die Warmumformung (Schmieden, Pressen), die Zerspanung (Drehen, Fräsen) sowie die Verbrennungsmotorenkunde kennengelernt haben. Die Fächer, die mich nicht besonders interessiert haben, waren die Fremdsprachen (Deutsch, Russisch, teilweise Chemie und Geschichte), leicht fiel mir Mathematik, Physik, Werkstoffkunde, Festigkeitslehre, Maschinenelemente. Insgesamt aber war ich ein sehr guter Schuler mit überdurchschnittlichen Leistungen.
Was hast du nach deinem Schulabschluss gemacht?
Meine Ausbildung auf einem Gymnasium mit Technikerabschluss war eine naheliegende Entscheidung, weil in meiner Geburtsstadt einige große Maschinenbaubetriebe den Ton angaben und ein humanistisches Gymnasium bedeutet hätte, dass ich nur als ungelernte Arbeitskraft mich bewerben könnte. Deshalb sollte ich auf ein Berufsleben im Maschinenbau vorbereitet werden.
Also habe ich die Hochschulreife und gleichzeitig damit die Befähigung als Zerspanungsfacharbeiter erlangt.
Nach meiner Schulzeit begann ich als Fräser im Maschinenbauwerk in meiner Geburtsstadt. Normalerweise musste ich zum 2-jährigen Militärdienst eingezogen werden, aber ich wurde ein Jahr zurückgestellt, weil gerade eine neue Technologie eingeführt wurde und wir für das Werk die richtige Qualifikation besaßen.
Nach einem Jahr wurde ich zum Militärdienst eingezogen und während dieser Zeit fiel die Entscheidung, dass ich mich um einen Studienplatz bewerben sollte (es war eine finanzielle Frage, weil meine Eltern nur ein bescheidenes Einkommen hatten). Es war also gar nicht in erster Linie meine Entscheidung, sondern es waren die Rahmenbedingungen, die diesen Weg vorgezeichnet haben.
Was hast du studiert und wie kam es zu deiner Studienwahl?

Quelle: Prof. Metschkow
Zuerst habe ich ein Studium an der Technischen Hochschule für Maschinenbau und Elektrotechnik in Sofia begonnen. Ich wollte die Vertiefungsrichtung Technologie des Maschinenbaus studieren. Dieses Studium war eine logische Fortsetzung meiner Schulbildung. Die einzige Hochschule mit diesem Profil war die TH in Sofia. Nach 2-jährigem Militärdienst musste ich mit viel Zeitaufwand die inzwischen entstandenen Wissenslücken schliessen , was aber in relativ kurzer Zeit gelang.
Ich habe unter denkbar schwierigen Bedingungen studiert – meine Eltern konnten mir nur eine karge Unterstützung geben, die nicht immer für die elementaren Lebenshaltungskosten reichte. Nach dem 1. Studienjahr und nachdem ich einen Leistungsdurchschnitt von gut erreicht habe, wurde mir ein staatliches Stipendium anerkannt, so dass die elternliche Unterstützung und das Stipendium ein bescheiden finanziertes Studium ermöglichten. Ich hatte den unbedingten Willen, mich um jedem Preis durchzubeißen und das Diplom eines Hochschulingenieurs zu erreichen.
Als Zehnjähriger hatte ich davon noch keine Vorstellung, in der staubigen und rückständigen Provinz konnte ich die Kleinbauern sehen, die mit ihren Handtuchfeldern gerade noch die Existenz ihrer Familien sichern konnten. Mein Traum war es stets, genügt zu essen zu haben. An ein Studium habe ich nicht im Entferntesten gedacht, auch dann nicht, als ich die Oberschule besucht habe.
Was macht man im Studium?
Die Studienfächer in den Ingenieurwissenschaften sind in der ganzen Welt die gleichen: Technische Mechanik, Werkstoffkunde, Maschinenelemente, Festigkeitslehre, Darstellende Geometrie, Höhere Mathematik, Physik, Chemie, Technisches Zeichnen, Thermodynamik. Nach dem 2. Studienjahr wurde ich zum Auslandsstudium in die damalige DDRdelegiert, um Schiffbau zu studieren.Nach einem Semester Deutschunterricht am Herder-Institut in Leipzig setze ich in Rostock mein Studium fort.
Was war im Master anders als im Bachelor?

Quelle: Prof. Metschkow
Damals war es das Studium nach dem Vordiplom, man war nicht mehr stud.ing., sondern schon cand.ing.In den ersten 6 Semestern (Bachelor) wurden die technischen Grundlagenfächer gelehrt, danach die Spezialfächer wie Theorie des Schiffes, Schiffslinien, Entwurf von Schiffen, Ausrüstung und Einrichtung von Schiffen, Werftanlagen, Schweißtechnik, Organisation und Planung u.a. gelehrt. Wir waren eine sehr kleine Seminargruppe (10 Studenten und 1 Studentin) mit sehr individueller Betreuung. Nach dem 8. Semester haben wir auf verschiedenen Werften ein Semester als Ingenieurpraktikanten absolviert. Dies war die Grundlage für die spätere Bewerbung.
Mit welchen Erwartungen hast du damals dein Studium begonnen?
Meine Erwartung war es, die Chance des Lebens zu ergreifen und ich hatte in Rostock nichts anderes im Kopf, als das Studium. In den höheren Semestern blieb etwas Zeit für Sport; die Fachrichtung Schiffbau war eine strategische Richtung der damalige Volkswirtschaft, unsere Fakultät war nagelneu, sie hatte modernste Labors und einen sehr guten Lehrkörper – viele der Professoren hatten in den Heinkel-Flugzeugwerken gearbeitet, einige kamen von der Schichau-Werft in Danzig, die Neptunwerft in Rostock war ebenfalls eine der führenden deutschen Werften. Wir hatten das Gefühl an einer elitären Universität zu studieren.
Was ist deine Jobbezeichnung?
Diplom-Ingenieur für Technologie des Schiffbaus mit Lehrbefähigung für das Fach „Technologie des Schiffbaus“, mit Promotion auf dem Gebiete der Fertigungstechnik und mit Habilitation auf dem Gebiete des design for production oder auch kurz Professor
Wie kamst du zu deinem jetzigen Job?

Quelle: Prof. Metschkow
Da ich Ausländer war (ich hatte die bulgarische Staatsbürgerschaft) durfte ich in der DDR nur als geduldet bleiben, obwohl ich schon mit einer Deutschen eine Familie gegründet habe und wir bereits 2 Kinder hatten. Etwa 10 Monate nach Abschluss des Studiums habe ich eine Einstellung auf der Werft bekommen, auf der ich das Ingenieurpraktikum absolviert habe. Ich wollte in der Abteilung für technologische Forschung und Entwicklung arbeiten, aber als Ausländer wurde mir das verwehrt. Deshalb begann ich, völlig unerfahren, als Fertigungsingenieur für die Helingmontage von Frachtschiffen. Es war gleichzeitig damit mein verrücktester Job, weil ich mit der rauen Wirklichkeit eines Großunternehmens (etwa 10 000 Beschäftigte) konfrontiert wurde und Verantwortung zu tragen hatte. Dies war die Härteprobe für mein späteres Berufslebens.
Der mit Abstand verrückteste Job war viele Jahre später aktuell, als ich bereits im reiferem Alter leitendes Vorstandsmitglied einer Großwerft in Polen wurde und dies gerade zur Zeit der größten Schiffbaukrise in Europa nach dem 2. Weltkrieg (2007 - 2013).
Wie sind die Berufschancen mit deinem Studium?
Damals, wie auch heute werden Schiffbauingenieure "mit Handkuss" eingestellt. Nach 2 Jahren auf der Werft bin ich zur Universität Rostock als wiss. Mitarbeiter gewechselt, weil ich promovieren wollte. Danach habe ich alle Stufen der Hochschulkarriere erklommen (befristeter, unbefristeter wiss. Mitarbeiter, Promotion zum Dr.-Ing., Lehrbefähigung - facultas dozendi - Postdoc Studium im Ausland (20 Monate an der TU Danzig in Polen), Habilitation, Berufung zum Dozenten, Berufung zum Professor in Rostock, Berufung zum Professor in Stettin und Danzig.
Die größte Herausforderung dieses Berufsweges war der absolute Wille vorwärts zu kommen und Härten zu überwinden (relativ bescheidene Bezahlung an der Universität).
Was macht Dein Unternehmen und wie ist es dort zu arbeiten?
Ich habe hauptsächlich auf der heutigen Nordic-Werft in Rostock-Warnemünde, an der Universität Rostock, an der Westpommerschen Technologieuniversität in Stettin, an der Technischen Universität in Danzig und auf der Danziger Werft gearbeitet. Dies sind Großbetriebe, die für den Schiffbau ausbilden oder direkt im Schiffbau tätig sind.
Wie läuft ein normaler Arbeitstag bei dir ab?

Quelle: Prof. Metschkow
Als Fertigungsingenieur für die Helingmontage auf der damaligen Warnow Weft Warnemünde war ich verantwortlich für die technologisch-organisatorischen Vorbereitung des Montageprozesses. Ich erarbeitete technologische Arbeitsanweisungen für ca. 20 Meisterbereiche (die Hälfte davon Schweißer, die andere Hälfte Schiffbauer) mit ca. 350 Beschäftigten. Desweiteren oblag mir die Umsetzung des sog. Planes Wissenschaft und Technik, in heutiger Lesart also die laufende Modernisierung der Produktion inklusive Investitionsvorbereitung und Realisierung. Ziel war es, das Arbeitsstundenvolumen zu reduzieren und Termintreue des Montageprozesses zu erreichen. Hier habe ich den Respekt vor großen Geldsummen verloren- das jährliche Investitionsvolumen in meinem Zuständigkeitsbereich bewegte sich in der Größenordnung von einigen Millionen DDR-Mark. (Anhaltspunkt: ich bekam als einer der gut verdienenden monatlich etwa 890 Mark Brutto, eine 90 qm Neubauwohnung warm hat ca. 140 Mark gekostet, ein Bier in der Kneipe 50 Pf ein ausgiebiges Mittagessen in Interhotel ca. 30 Mark).
Die Arbeitszeiten auf der Werft waren für das Ingenieurpersonal streng reglementiert ohne Möglichkeit für bezahlte Überstunden, der Arbeitstag begann um 06:45 und endete um 16:00 Uhr, wobei Frühstücks- und Mittagspause nicht zur Arbeitszeit angerechnet wurden.
Was findest du ist das spannendste an deinem Job?

Quelle: Prof. Metschkow
Schiffbau ist ein spezifisches Geschäft – die Angehörigen einer Werft hielten sich für etwas besonderes, es gab Familien, die in mehreren Generationen dem Betrieb treu geblieben sind und es gab im Betrieb und auch außerhalb einen sichtbaren Zusammenhalt. Nach dem etwas sterilen Studium war der erste Job auf der Werft eine sehr gute Erfahrung und nach den fast 1,5 Jahren habe ich erst erkannt, welchen faszinierenden Beruf ich per Zufall ergriffen habe.
Wir bauten damals etwa 14 -16 Frachtschiffe (Stahlmasse eines jeden davon ca. 8 – 10 tausend Tonnen), es waren meist Schiffe für die Sowjetunion (damit wurden ein Großteil der deutschen Kriegsreparationen getilgt) aber auch für westeuropäische und außereuropäische Reedereien. Mit jedem Schiff wuchs mein Selbstbewusstsein und ich fühlte mich in meinem Beruf zunehmend sicherer.
Bei der dann folgenden Tätigkeit an den verschiedenen Technischen Hochschulen und Universitäten stand die wissenschaftliche Qualifizierung (Promotion, Habilitation, Zusatzstudium Pädagogik des Hochschulwesens, Lehrbefähigung, Veröffentlichungen, Forschungsvorhaben national und international, Studenten- und Diplomandenbetreuung, Vorlesungen, Seminare, Praktika usw. im Vordergrund. Man war selten in einem so großen Kollektiv wie auf der Werft und der raue aber herzliche Ton fehlte bei den etwas sensibleren und eigenbrötlerischen Individualisten.
Viel später wiederholte sich die Geschichte auf der Danziger Werft in der ich als Mitglied des Vorstandes tätig war. Die schwer angeschlagene Werft konnte jedoch ein Konzept für die Modernisierung vorlegen, das von der EU-Kommission akzeptiert wurde und als einzige polnische Großwerft die schwerste Krise des Schiffbaus nach dem 2.Weltkrieg überdauern.
In Danzig hatte ich keine limitierte Arbeitszeit; ich war weit mehr als 8 Stunden im Betrieb.
War der Job auf deinen Studium zugeschnitten oder kann man auch etwas anderes machen, um in deinem Bereich tätig zu werden?
Mein Studium hat mich im vollen Umfang auf meinen Job vorbereitet.
Was würdest du deinem jüngeren Ich raten?
Den jüngeren kann ich nur raten, diesen Weg nur dann einzuschlagen, wenn sie nicht nur an einen gut bezahlten Job denken, sondern eine Berufung empfinden. Ohne diese Berufung kann kein Maler ein Rembrand oder Rubens oder Leonardo werden, ein Geiger kann mit noch so viel Übung niemals ein zweiter oder gar besserer Paganini werden, wenn die innere Stimme fehlt und das Herz nicht mitschwingt kann man keine Musik wie Beethoven oder Mozart komponieren.
Zweifelsohne hätten mehr Fremdsprachenkenntnisse (Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch, am besten alle zusammen) die Sicht wesentlich erweitert, mindestens ein Jahr Arbeit in einem vergleichenden Betrieb kann den Sinn der Studienfächer deutlicher erkennen lassen. Wenn einer nur das Geldverdienen in den Vordergrund rückt, so soll er Profifußballer werden oder sein Glück im Handel suchen.
Übrigens ist eine Familiengründung während des Studiums und sogar Kinderbetreuung eher ein Ansporn und kein Hindernis, weil man dadurch erst einmal lernt Verantwortung zu tragen und seine Ressourcen (zeitliche und finanzielle) sinnvoll einzusetzen.