Deine Schulzeit
Was für ein Typ Schülerin warst du?
Ich war in der Grundschule und in der gymnasialen Oberstufe eine sehr gute Schülerin, habe in der Grundschule eine Klasse übersprungen und war danach gute Mitte. Ich konnte sehr gut meine Meinung vertreten (bei Mädchen vor 40-50 Jahren eher ungewöhnlich) und anderen etwas erklären. Alles, was viel Geduld brauchte (vom Schönschreiben bis zu Werken) war nicht so mein Fall.
Was hast du nach deinem Schulabschluss gemacht?
Meine Patentante, die damals auf Zypern lebte und arbeitete, hatte mich für den Sommer nach dem Abitur (in dem ich fast 5 Monate bis zum Beginn des Wintersemesters frei hatte) dorthin eingeladen und meine Teilnahme an einem Archäologiekurs organisiert. Leider war das gerade der Sommer, in dem der Zypernkrieg stattfand. Ich wurde also nach Beirut evakuiert und verbrachte dann dort einige Wochen in der Familie des deutschen Pfarrers. Das war immerhin noch vor dem dortigen Bürgerkrieg. Mein Interesse für Friedenspolitik hat dieser Sommer auf jeden Fall verstärkt. Ich habe aber im Wintersemester darauf ganz normal zu studieren angefangen. Das würde ich auch wieder so machen.
Deine Studienzeit in Erlangen und Tübingen

Quelle: DR. Ute Finckh-Krämer
Was hast du studiert und wie kam es zu deiner Studienwahl?
Ich habe Mathematik mit Nebenfach Physik auf Diplom studiert, zuerst in Erlangen, dann nach dem Vordiplom in Tübingen. Nach Erlangen bin ich gegangen, weil es einerseits weit weg von meinen Eltern und Geschwistern war (ich wollte unabhängig werden), andererseits dort aber mein Onkel wohnte, bei dem im Haus ich ein Zimmer mit separatem Eingang (und ein bisschen Familienanschluss) beziehen konnte. Nach Tübingen bin ich gewechselt, weil dort mein erster Freund lebte und ich auf jeden Fall zwei Universitäten kennen lernen wollte. Mathematik habe ich studiert, weil ich darin besonders gut war und es mir großen Spaß machte - ich habe zweimal am Bundeswettbewerb Mathematik teilgenommen und einen Preis in der ersten Runde bekommen. Ich habe zeitweise ein Stipendium der Studienstiftung gehabt, ansonsten von BAFöG und Geld von meinen Eltern gelebt.
Was wolltest du als Zehnjährige werden?
Was ich als Zehnjährige werden wollte, weiß ich nicht mehr genau - möglicher Weise Grundschullehrerin, weil ich meine erste Lehrerin absolut toll fand. Aber mit 12 wollte ich Mathelehrerin werden, und mit 16 dann Matheprofessorin. Das habe ich allerdings nicht geschafft - ich habe "nur" promoviert.
Was genau macht man im Mathe-Studium?
Ich habe ein klassisches Mathematikstudium durchlaufen mit Vorlesung/Übung als Hauptbestandteil, Proseminar und Seminaren als "Nebenaspekt". Im Nebenfach Physik gab es auch diverse Praktika. Ich habe mich nebenbei in der StudentInnenvertretung, in der Evangelischen Studentengemeinde (heute: Studierendengemeinde) und in der Friedensbewegung engagiert. Außerdem habe ich parallel zum Hauptstudium mein Schulrussisch aufgebessert. Mein Ruf im mathematischen Institut war "begabt, aber faul" - weil es für Mathematikstudentinnen unüblich war, sich "nebenbei" politisch zu engagieren.
Als Doktorandin habe ich die erste große gewaltfreie Blockade eines Atomwaffenlagers (in Großengstingen auf der Schwäbischen Alp) mit organisiert und zwei Jahre später an einer Blockade des Pershing II-Standorts Mutlangen teilgenommen. Meinem Doktorvater waren diese Aktivitäten eher suspekt - bis er bei meiner Promotionsfeier merkte, dass ich dadurch einen der damals bekanntesten Tübinger Professoren (Walter Jens) kennen gelernt hatte.
Ich habe außerdem in der Promotionszeit als Fachfremde zwei Seminare zu Friedens- und Abrüstungsthemen bei den Politikwissenschaftlern mitgemacht und dann in einem entsprechenden Doktorandenseminar mitgearbeitet - das hat sich später als sehr hilfreich für meine politische Arbeit erwiesen.
Mit welchen Erwartungen hast du damals dein Studium begonnen und wurden diese erfüllt?
Da ich aus einer Akademikerfamilie stamme, hatte ich ganz gute Vorstellungen davon, was mich an der Universität erwartet. Unerwartet war für mich der "Kulturunterschied" zwischen Bremen und Franken - ich konnte den Einheimischen nicht erklären, dass die Hansestadt Bremen niemals zu Preußen gehört hatte. Ich bin dort auch auf Gleichaltrige gestoßen, die allen Ernstes glaubten, Christen müssten automatisch CSU wählen...
Da sowohl Bremen als auch Erlangen schon damals sehr fahrradfreundliche Städte waren, merkte ich erst in Tübingen, dass ich die Ausnahme und nicht die Regel kannte. Inzwischen hat der Fahrradverkehr in Tübingen aber auch rekordverdächtige Ausmaße angenommen...
Hast du dich schon während des Studiums politisch engagiert?
Ja, ich bin mit 16 in die SPD eingetreten und war dann bis zum Abitur bei den Jusos aktiv, habe mich als Studentin aber mehr in der Hochschulpolitik, der Studentengemeinde und der Friedensbewegung engagiert. Wie viele andere Jusos auch.
Dein Job als Mitglied des Deutschen Bundestages

Quelle: DR. Ute Finckh-Krämer
Wie war dein Weg in den Bundestag?
Ich habe nach dem Diplom zunächst (ebenfalls in Mathematik) promoviert, war dann eine Zeitlang in der Erwachsenenbildung tätig, dann im medizinisch-statistischen Bereich und schließlich 12 Jahre im Bundespresseamt. Da ich fast nie Vollzeit gearbeitet habe, haben eher meine beiden Kinder als mein jeweiliger Beruf zeitweise mein politisches Engagement eingeschränkt.
Wie ist es ein Mitglied des Deutschen Bundestages zu sein?
Der Arbeitstag unterscheidet sich sehr zwischen Sitzungswochen und sitzungsfreien Wochen. In Sitzungswochen lässt sich ein Wochenablauf beschreiben: Montag Vorbereitung (u.a. Bürobesprechung), manchmal Unterausschusssitzung oder Landesgruppe, Dienstag Fraktionsarbeitsgruppen und Fraktionssitzung, Mittwoch Ausschusssitzungen, Donnerstag Plenum und "side events", Freitag bis frühen Nachmittag Plenum und "side events", dazwischen Büroarbeit, Verfassen von Reden, Einzelgespräche, parlamentarische Abende, Treffen von Parlamentariergruppen oder Querschnittsarbeitkreisen.
In sitzungsfreien Wochen häufen sich die Termine im und für den Wahlkreis - von Schulbesuchen über meine Bürgersprechstunde und Einladungen zu allen möglichen Veranstaltungen bis hin zu Abendveranstaltungen - Grußworte, Vorträge, Podiumsdiskussionen etc. Dazu kommen in meinem Fall Reisen - zur Parlamentarischen Versammlung des Europarates nach Straßburg, als Ausschuss- oder Parlamentariergruppenreise, zu abrüstungspolitischen Konferenzen, zu Akademietagungen oder zu Veranstaltungen in anderen Städten, für die mein Spezialwissen gefragt ist.
Was findest du ist das Spannendste an deinem Job?
Jeden Tag erlebe und lerne ich etwas Neues.
Vollende den folgenden Satz: "Sich mit Politik auseinander zu setzen ist wichtig weil..."
...politische Entscheidungen die Rahmenbedingungen unseres Lebens bestimmen.
Was würdest du deinem jüngeren Ich raten?
Ich hätte ein Auslandssemester machen sollen. Und mich im Grundstudium auf einen Bereich politischen Engagements konzentrieren sollen.