Deine Schulzeit
Was für ein Typ Schüler warst du?
Ich denke, ich war eine solide Mittelfeld-Schülerin. Keine totale Überfliegerin, aber auch nicht schlecht. Ich habe einen Abischnitt von 2,2. Ich habe immer gerne Texte geschrieben und gelesen, Dinge analysiert, auseinandergenommen, beschrieben - Deutsch und Gemeinschaftskunde mochte ich. Sport nicht. Sprachen geht so. Naturwissenschaften haben mich zwar fasziniert, weil sie logisch sind und Erklärungen liefern, verstanden habe ich sie aber nie wirklich.
Was hast du nach deinem Schulabschluss gemacht?
Ich habe zwischen Abi und Studium ein Jahr in der Medienbranche gearbeitet. Ich wusste, dass ich noch studieren möchte, wusste aber nicht, was genau und wollte vor allem nicht gleich weiter lernen. Ich wollte eine Auszeit, etwas Geld verdienen, etwas Zeit ohne Druck und Klausuren.
Deine Zeit im Jura-Studium
Was hast du studiert und wie kam es zu deiner Studienwahl?
Ich habe Jura studiert - beziehungsweise Rechtswissenschaften, wie es an den Unis heißt. Das war aber eher Zufall. Eigentlich wollte ich Politikwissenschaften studieren, habe mich auch hauptsächlich hierfür beworben. Ich wollte Journalistin werden und erfahrungsgemäß ist es dafür sinnvoller, ein Fach zu studieren und nicht Journalismus selbst, da man sich damit weniger von der Masse abhebt, kein wirkliches Fachwissen hat. Zudem hatte ich durch mein Arbeitsjahr nach dem Abi schon Erfahrungen gesammelt.
Zusätzlich habe ich mich an zwei Unis für Rechtswissenschaften beworben - einige bekannte Journalisten haben auch ein Jura-Studium abgeschlossen, zum Beispiel Heribert Prantl, Ulrich Deppendorf, Claus Kleber, Wolf von Lojewski oder Ulrich Wickert.
Letztendlich bekam ich für Politikwissenschaften nur Absagen und für Jura an beiden Unis Zusagen, Tübingen und Bielefeld, wobei letzteres nicht meine Traumstadt war. Also habe ich mich in Tübingen eingeschrieben und dachte, wenn das nichts für mich sein sollte, dann wechsele ich nach ein oder zwei Semestern zu Politikwissenschaften - ein paar Scheine hätte ich mir auch anrechnen lassen können. Außerdem mochte ich die Vorstellung, nach diesem Studium auch was zu sein. Klar, Journalistin war der Plan, aber ich bin automatisch auch Juristin. So wie Medizinstudenten Mediziner sind und Psychologie-Studenten Psychologen. Mit Politikwissenschaften hätte ich einen Bachelor gehabt - ohne das degradieren zu wollen, gefiel mir die Aussicht auf einen "konkreten" Abschluss.
Hauptargument für mich war aber immer die Gewissheit, dass Jura nicht schadet. Ich hatte nie zum Ziel, Anwältin zu werden. Aber ich wusste immer, dass dieses Studium mir eine gute Grundausbildung für alles gibt. Juristen kommen immer irgendwo unter.
Letztendlich habe ich das Studium deshalb auch abgeschlossen.
Was genau macht man im Studium?
Eines vorneweg: Paragrafen müssen nicht auswendig gelernt werden - das Gesetzbuch haben Juristen immer dabei und dürfen auch immer nachschlagen. Aber vielleicht habt ihr unsere Gesetzbücher schon mal gesehen, das sind rote, backsteinförmige (und genauso schwere) Teile mit zehntausenden von Paragrafen drin. Um da irgendwie mit klarzukommen, sollte man also in etwa wissen, wo was steht. Das ist immer noch nicht auswendig lernen, geht aber doch in die Richtung...
Aber fangen wir bei dem ganz Grundsätzlichen an: es gibt bei Jura das Studium an der Uni, das mit dem ersten Staatsexamen abgeschlossen wird. Danach hat man in Rechtswissenschaften ein Diplom und darf Rechtsberatung geben, kann also beispielsweise in Unternehmen juristisch tätig werden oder eine andere Qualifikation draufsetzen, einen Master zum Beispiel oder ein journalistisches Volontariat. Man darf mit dem ersten Staatsexamen aber nicht vor Gericht auftreten, bekommt also keine Anwaltszulassung und kommt auch nicht als Richter oder Staatsanwalt in den Staatsdienst. Hierfür braucht man das zweite Staatsexamen. Das man schreibt, wenn man das Referendariat abgeschlossen hat, ein zweijähriges "öffentlich-rechtliches Ausbildungsverhältnis". Man ist also kein Student mehr, sondern eher eine Art Dauer-Praktikant. In verschiedenen Stationen begleitet man über mehrere Monate einen Richter am Gericht, einen Staatsanwalt, arbeitet in einer Anwaltskanzlei und in Verwaltungsbehörden. Erst mit dem zweiten Staatsexamen ist man sogenannter Volljurist.
So lässt sich auch erklären, warum das Studium an der Uni recht theoretisch und trocken ist und tausende von Paragrafen behandelt. Der praktische und spannende Teil findet eigentlich erst im Referendariat statt. Aber die Uni muss eben trotzdem sein...

Quelle: morgue: JessicaGale
Im Studium hat man drei große Fächer:
- Das Zivilrecht, also das Rechtsverhältnis zwischen Bürgern (zum Beispiel, wenn jemand was von einem anderen kauft und die Ware kaputt ist oder wenn eine Ehe geschieden wird).
- Das öffentliche Recht, also das Rechtsverhältnis zwischen Bürger und Staat (zum Beispiel, wenn man eine Baugenehmigung will oder einen Strafzettel bekommt),
- und das Strafrecht, das die Verletzung wichtiger Rechtsgüter sanktioniert (zum Beispiel, wenn jemand was klaut oder wenn jemand einen anderen verletzt oder gar tötet).
Welche Fächer einem liegen, ist ganz subjektiv. Ich habe mich am meisten fürs Strafrecht interessiert - wobei man auch hier nicht den letzten Tatort nachspielt, sondern - wie im gesamten Studium - Paragrafen durcharbeitet und auslegt, Theorien lernt und viele, viele Definitionen. Es ist also wirklich ein trockenes und theoretisches Studium. Aber in den Momenten, in denen man das ganze System etwas mehr versteht, macht es Spaß. Jedenfalls finde ich es immer noch faszinierend, dass in ein paar Gesetzbüchern für jede nur denkbare Situation eine Regelung zu finden ist. Und teilweise sind die Gesetze richtig alt. Müssen clevere Menschen gewesen sein, die Gesetzesschreiber!
Über diese ganze Theorie werden, wie in jedem Studiengang, Klausuren und Hausarbeiten geschrieben.
Natürlich kann man während des Studiums auch ins Ausland gehen, das bietet sich vor allem bei Interesse an internationalem und grenzüberschreitendem Recht an, auch bei wirtschaftlichen Geschichten. Ich habe das aber nicht gemacht - unterm Strich studiert man deutsches Recht.
Für den praktischen Teil werden Pflichtpraktika absolviert. Bei mir waren es drei Stück, jeweils einen Monat lang. Hier kann man sich etwas austoben und schon mal verschieden Bereiche antesten, zum Beispiel habe ich natürlich auch das klassische Praktikum in einer Anwaltskanzlei gemacht (...was meinen Wunsch, nie Anwältin zu werden, bestätigt hat), war aber auch vier Wochen im Knast, in einer Justizvollzugsanstalt, was somit die spannendsten vier Wochen meines gesamten Studiums waren.
Letztendlich ist das Studium eben so unterhaltsam, wie man es sich macht.
Nur schützt das alles nicht davor, am Ende vor der großen Prüfung zu stehen: dem ersten Staatsexamen. Normalerweise ist man nach sieben/acht/neun/zehn Semestern soweit und soll innerhalb von zwei Wochen und in sechs Klausuren einmal alles drauf haben, was man die sieben/acht/neun/zehn Semester davor gelernt haben sollte. Kein Wunder, dass Juristen hierauf gut ein Jahr lang nur lernen und trotzdem über ein Drittel immer durchfällt. Man sollte also eine große Portion Selbstdisziplin mitbringen, um nicht kurz vor Schluss zu scheitern. Ein gewisser Durchhaltewille ist also erforderlich. Den hat man, wenn man begriffen hat, dass es sich lohnt. Studiert man Jura, weil Papa und Opa das auch schon gemacht haben, ist das nicht immer die richtige Einstellung...
Mit welchen Erwartungen hast du damals dein Studium begonnen, haben sich diese erfüllt?
Ich hatte ziemlich wenig bis keine Erwartungen, weil ich nicht mal genau wusste, was im Studium passiert und was man dort lernt. Weder komme ich aus einer Anwaltsfamilie noch hatte ich jemals Berührungspunkte zum Recht. Daher konnten meine Erwartungen aber auch nicht enttäuscht werden.
Ich habe mir aber nicht vorgestellt, dass es so viel Selbstdisziplin erfordert. Die Vorlesungen sind schön und gut, aber es wird erwartet, dass vieles selbst erarbeitet wird; Vorarbeit, Nacharbeit, lesen, lesen, lesen. Lehrbücher, Skripte, Kommentare. Ich habe im Laufe des Studiums regalweise Bücher und ordnerweise Kopien angesammelt.
Dabei fehlen oft diese kleinen Erfolgsmomente, etwas "erledigt" zu haben. Man hat immer das große Ganze vor sich, arbeitet das nicht ab, sondern versucht viel mehr, im Laufe des Studiums das große Ganze als solches zu erfassen. Und das ist wohl auch die eigentliche Kunst: es geht nicht darum, Paragrafen auswendig zu können, sondern zu wissen, was sie bedeuten und wann sie wie anzuwenden sind.
Andererseits bekommt man auch eine ganze Menge Allgemeinwissen vermittelt. Das öffentliche Recht zum Beispiel behandelt auch Staatsorganisationsrecht, also so ziemlich alles, was irgendwie politisch ist. Tagesthemen schauen macht danach Spaß. Wer im Zivilrecht gut aufgepasst hat, weiß sich im Alltag zu wehren - wenn die Rechnung zu teuer ist oder das Abo gar nicht abgeschlossen werden sollte. Und wer das Strafrecht verstanden hat, wird jede Stammtischdiskussion über zu milde Strafen in Deutschland gewinnen.
Eins noch zum Schluss: Über Juristen gibt es leider, genauso wie über BWLer, sehr viele Vorurteile. Und ja, es gibt überdurchschnittlich viele Segelschuhe, Polohemden mit hochgestelltem Kragen und Perlenohrringe. Aber nicht ausschließlich. Es gibt auch wirklich nette Menschen, die das studieren und die echte Freunde werden.
Dein Job als Rechtsreferendarin

Quelle: morgue: xenia
Wie kamst du zu deinem jetzigen Job?
Nach dem ersten Examen hat man zwar ein abgeschlossenes Hochschulstudium, für mich - die ich immer noch nicht ganz genau weiß, wo die Reise hingeht - aber auch noch nicht alles. Also möchte ich noch das zweite Staatsexamen schreiben, möchte Volljuristin werden. Weiter alle Optionen offen halten, schaden kann es nicht. Außerdem will ich das, was ich nun jahrelang an der Uni in der Theorie in meinen Kopf geprügelt habe, nun auch praktisch anwenden.
Wie sind die Berufschancen mit deinem Studium?
Juristen kommen immer irgendwo unter. Sechsstellige Jahresgehälter erreicht man dabei nicht unbedingt in den ersten Berufsjahren, aber möglich ist alles. Vor allem in der freien Wirtschaft, also in den klassischen Großkanzleien. Leider verzichtet man bei einem solchen Job aber auch zum Großteil auf sein Leben.
Voraussetzung für eine problemlose Jobfindung sind aber gute bis sehr gute Noten im ersten und zweiten Examen. So auch im Staatsdienst. Wer also zum Beispiel Richter oder Staatsanwalt werden will, braucht eine Mindestpunktzahl im Examen.
Als Anwalt in einer Kanzlei oder in der Selbstständigkeit kann man mit jeder Examensnote arbeiten.
Und natürlich kommt man auch fachfremd unter, also beispielsweise im Journalismus.
Mit einem schlechten bis mittelmäßigen Examen muss man jetzt auch keine Existenzängste haben, aber vielleicht ist der Weg zum zufriedenstellenden Gehalt etwas weiter oder mit Umwegen versehen.
Was würdest du deinem jüngeren Ich raten?
Ich würde meinem jüngeren Ich raten, das Studium nicht ganz so locker zu nehmen, sondern von Anfang an selbstdisziplinierter zu lernen, zu arbeiten und vor allem zu üben. Dann kommt es am Ende nicht ganz so dicke. Und ein gutes Examen ist eben doch besser als ein knapp bestandenes. Aber auch viel schwerer zu erreichen.
Neben dem Wissen setzt ein gutes Examen eine große Portion Übung voraus. Das Klausuren Schreiben muss man üben genauso wie das systematische Lösen von Fällen. Denn am Ende zählt nur eins: das, was man im Examen zu Papier bringt. Alles, was davor war, jede Klausur, jede Hausarbeit, interessiert niemanden. Das hat auch keinen Einfluss auf die Examensnote. Und nur die zählt, nur die ist Aushängeschild für jede Bewerbung. Hier lohnt es sich wirklich, alles zu geben!